Ist Prostitution notwendig?
Das älteste Gewerbe der
Welt" ist die Phrase, mit der Prostitution gerne betitelt wird. Wie
angebracht oder irreführend die Formulierung und das Bild in den Köpfen
der Gesellschaft ist, zeigt sich gerade in den letzten Jahren. Das Thema
Prostitution rückt in den politischen Alltag und damit auch ins
öffentliche Bewusstsein, da nach Gesetzen für und gegen bestimmte
Praktiken gesucht wird. Eine Frage, die dabei mit facettenreichen
Perspektiven und Fehleinschätzungen diskutiert wird, ist die Notwendigkeit
und der Grund für Prostitution.
Die öffentlichen Vorstellung zum Stichwort Prostituition überschlagen
sich: Bordelle als geheime Orte mit eigenen Regeln, Menschenhandel und
Missbrauch von Ausländerinnen und Minderjährigen, die Hure als
einzigartige Frau und Seelsorgerin, das Rotlichtmilieu von München über
Köln bis Berlin als eigene Welt. Es wird klar, dass zu diesem Thema keine
einfachen, sondern nur komplexe Antworten möglich sind. Um sich über
Prostitution und vor allem ihre Notwendigkeit unterhalten zu können,
müssen diese Betrachtungsweisen ganz klar voneinander getrennt werden.
Fakt ist, dass in vielen Ländern gesetzlich gegen Prostitutionstätigkeit
vorgegangen wird. Diese Gesetze richten sich nicht gegen die Idee des
Berufszweigs als solchen, sondern gegen gravierende Begleiterscheinungen.
Menschenhandel, oftmals mit Minderjährigen, und der Zwang und Missbrauch
von Frauen im Gewerbe, die es nicht freiwillig gewählt haben. Der
rechtliche und polizeiliche Umgang mit Prostitutionstätigkeit in Köln und
anderen Städten ist oft problematisch. Diese vorhandenen Probleme schaden
dem Gesellschaftsbild und erschweren eine Anerkennung.
Von dieser ernsten Lage ist eine andere Tatsache zu trennen: Prostitution
ist ein Dienstleistungsgewerbe. Ob im Bordell, durch einen Escort oder auf
der Straße, ganz gleich ob in Köln, Berlin oder Hamburg. Die öffentliche
Auffassung hat sich in den letzten Jahrzehnten dahingehend verschoben,
dass weniger von einem Verkaufen des Körpers gesprochen wird. Die
Prostituierte und das Bordell rücken mehr in eine aktive Rolle mit eigenem
Selbstverständnis. Eine Bedeutung, die in der Phrase "ältestes Gewerbe der
Welt" mitschwingt, relativiert sich langsam: die Vorstellung, dass
Prostitution dadurch zu rechtfertigen ist, dass sie schon immer da war.
Gleichzeitig tritt eine Perspektive in den Vordergrund, die leicht
verloren geht: als Dienstleistungsbetrieb basiert ein Bordell in Köln und
jede andere Art der Prostitution an jedem anderen Ort auf dem Prinzip von
Angebot und Nachfrage. Auf dieser Ebene ist die Frage nach der
Notwendigkeit einer Prostitutierten ebenso gerechtfertigt wie die Frage
nach der Notwendigkeit eines Krankenpflegers oder eines IT-Spezialisten.
Allein der problematische soziale Zusammenhang, in dem das Gewerbe gesehen
wird, führen dazu eine solche Rechtfertigung überhaupt anzunehmen.
Weshalb Sex oder das intime Zusammensein mit einem Menschen auf eine
andere Art und Weise käuflich erworben werden kann, lässt sich nicht
einfach begründen. Es wird gerne versucht eine Erklärung auf menschliches
Triebverhalten herunterzubrechen. Gleichzeitig sind Rotlichtviertel in
Köln, München oder Berlin sind keine magischen Ort, die sich gegen jede
Ergründung wehren. Diese Begründungen reichen über Alltagsweisheiten nicht
hinaus. Gerade in den letzten Jahren wird über die soziale Funktion und
Umgebung von Prostitutionstätigkeit vermehrt geforscht und es gibt keine
Hinweise auf eine so einfache Erklärung. Die wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit einem Bordell und Straßenstrich in Städten wie Köln
und Hamburg liefert neue Perspektiven. Wie im Buch "Prostitution:
Überlegungen aus ethischer Perspektive zu Praxis, Wertung und Politik" von
Béatrice Bowald treffend formuliert wird: "Daher besteht ein wesentlicher
Teil im Kampf um die Anerkennung darin, einerseits falsche Vorstellungen
von der Prostitutionstätigkeit zu korrigieren und andererseits
Selbstbestimmung in Bezug auf die eigene (berufliche) Tätigkeit für sich
zu reklamiere.